Die Innerste

 

 

Die Innerste.

 

 

 Ungeachtet der großen Weltpolitik,

von denen sie im Radio berichten,

mit den großen Fragen, und den wichtigen Entscheidungen, und den klugen Antworten,

fließt die Innerste.

 

Hier in meiner Gegend ist sie vielleicht 20 Kilometer jung.

 

 

Täglich gehe ich sie besuchen auf meinen Spaziergängen und Wanderungen,

laufe ich an ihr entlang, an ihren Ufern begleite ich sie ein Stück durch das nach ihr benannte Tal.

 

Und je mehr wir uns dem Jahresende nähern,

desto schneller wird sie, zügiger, entschlossener, ungeduldig.

Mir scheint, sie habe es eilig ans Ziel zu kommen.

Deutlich mehr als noch im Sommer.

 

Und ich sehe sie üben zwischen Tannen und Gestrüpp.

 

Wie auch junge Tiere die Verhaltensweisen erwachsener und reifer Artgenossen imitieren,

ohne noch deren Sinn und Zweck zu kennen und zu verstehen,

kommt es mir vor, als übe dieser junge Gebirgsfluss schon die Eigenarten des Meeres.

 

Bildet  Schaumkronen, raut seine Oberfläche auf und erprobt die Kraft, die ihm innewohnt, 

imitiert die Farbe der Hochsee bei trübem Wetter,

und trainiert die Laute der Brandung.

 

Als gehöre sie schon dazu, zum Ozean.

 

 

Und von überall her fließen kleine, namenlose Quellen,

sie sind fast unsichtbar unter braunem Laub.

Die gesellen sich leise zu ihr,

angezogen und beeindruckt von dem Schwung und dem doch beachtlichen Getöse.

 

Alle wollen sie mit!

Auf die weite Reise.

 

Durch die Leine, durch die Weser nach Bremerhaven hoch, das ist der Plan.

 

Und dann nur noch Weite und Raum sein.

Und Oberfläche.

Und Bewegung.

Und Größe.

Und Zusammenhang.

 

 

 

Nachdem mein Hund getrunken hat, mit seinen beiden Vorderpfoten in kaltem, noch nicht salzigem Wasser stehend,

wird mein Weg abbiegen nach rechts, und ich steige die Hänge hoch.

Die Pfade zur Aussicht nehmen am Kranichsberg, zum Beispiel, oder weiter Richtung der Altarklippen.

Zum Beispiel.

 

Mein Blick wendet sich wieder zu den fest verwurzelten Bäumen, 

und den Felsen mit ihren Millionen von Jahren, stoisch am selben Platz verharrend.

Es gibt hier einen Geo-Lehrpfad, es sind Schilder aufgestellt mit Erläuterungen und Erklärungen 

zur Beschaffenheit und zur Geschichte des Gesteins,

und es steht dass diese Felsen in lang vergangenen Zeiten, tief am

Meeresgrund gestanden haben.

 

 

Aus der Entfernung höre ich sie noch eine ganze Weile weiterziehen, die Innerste.